03 Mrz Was es so schwer macht, im Beruflichen etwas zu ändern
Es sind die Kanäle, die Kriterien und Köpfe, Kopf 1 und Kopf 2, die es erschweren, etwas zu ändern an den Dingen und an sich selbst.
Sie starten in ein neues Jahr mit neuen Vorsätzen, anders soll es werden und besser.
Beflügelt durch Ihren Urlaub vor ein paar Wochen kamen Sie auf Station und wollten mit Freude ein paar Dinge anders tun, nicht die Welt retten, doch eben mal die gewohnten Handgriffe anders.
Und dann war da noch Ihre Idee für die Montagsbesprechung, die Sie mitbrachten von der letzten Fortbildung.
Und nun, bleibt doch wieder alles, wie es ist?
Ja, kann; nein, braucht es aber nicht. Verändern gelingt, wenn ein paar Zutaten bereit liegen: Wissen, Mut, Tatendrang, Geduld und die Fähigkeit, zu unterscheiden, was durchaus zu ändern geht und was eben nicht, jedenfalls nicht sofort.
Los geht’s. Das Wissen bezieht sich leider hauptsächlich auf die Hindernisse. Also auf das, was es uns so schwer macht, Dinge zu ändern, in der Klinik, auf Station oder anderswo im Beruflichen.
Da wäre zuerst einmal der Kanal. Arbeiten Sie in einer Klinik mit einem System von Elementen, die einander über- oder untergeordnet sind? Also in einem hierarchischen System? Ja? Haben Sie Chefs, Vorgesetzte, Verantwortliche? Klar, da steht es Ihnen nicht gut zu Gesicht, wenn Sie sich mit Ihrer neusten Idee sofort an die kaufmännische Leitung wenden. Nein, bitte erst zur Stationsleitung, das ist der Weg des Kanals. Freundlich ausgedrückt: Es gibt Kommunikationswege, die festlegen, wie Entscheidungen getroffen und übermittelt werden.
Hinzu kommen Kriterien. Die besagen z. B., in welcher Reihenfolge die Patienten in der Rettungsstelle versorgt werden oder wie bei der Blutabnahme vorgegangen wird. Da passt es nicht, mit neuen Ideen sofort Standards verändern zu wollen, und wenn, braucht das Neue andere Kriterien oder andere Regeln und Zeit, um sie zu finden.
Und wie geht es mit den Köpfen? Fiel Ihnen schon einmal auf, dass eine erfahrene Schwester anders entscheiden würde als ein blutjunger Assistenzarzt? Es macht einen Unterschied, an wen Sie sich zu wenden haben (wegen den Regeln und der Hierarchie) oder mit wem Sie unmittelbar zusammenarbeiten: Was darf dieser Mensch entscheiden? Wie wird das geprägt durch seine Stellung in der Klinik? Wie beeinflusst sein Charakter eine Entscheidung, seine Persönlichkeit? Nicht leicht für alle Beteiligten. Das war Kopf 1.
Kopf 2 macht es Ihnen auch nicht unbedingt leicht, Neues umzusetzen. Denn es ist Ihr eigener.
Dem Neuen auf Ihrer Seite steht im schlimmsten Fall ein ganzer Rucksack im Weg. Oft hängt der am Rücken.
Da wäre zunächst einmal das gewohnte Umfeld.
Sie kommen nach der Fortbildung mit einer Idee/Vorschlag meistens in das gleiche Team zurück, in die gleiche Abteilung. Sie arbeiten weiterhin mit denen zusammen, die dort auch letzte Woche schon tätig waren. Mit den gleichen Menschen, außer: Sie alle wurden ein paar Tage älter, klüger und weiser und bekamen ein paar graue Haare hinzu oder überhaupt. Ihre lieben Kolleginnen und Kollegen konfrontieren Sie mit unveränderten sozialen Erwartungen: Sie sollen weiterhin aushalten, Ja sagen und jedes Opfer im Sinne der Patienten erbringen. Jedoch wollen Sie nach der Fortbildung das nicht mehr. Dort lernten Sie, wie hilfreich es für alle Beteiligten sein kann, Grenzen zu setzen, mit einem bestimmten und freundlichen Nein ein Stopp zu setzen. Noch spannender auch dieser Hemmschuh: Gegenüber Ihren Kolleginnen und Kollegen wollen Sie Ihre Identität wahren. Doch die ist in Gefahr, weil veränderte berufliche Anforderungen Neues von Ihnen fordern, verlangen: Sie sollen z. B. zukünftig technische Hilfsmittel beim Betten und Waschen nutzen. Ihre bisherige Fähigkeit, es auch ohne Hilfsmittel patientengerecht zu tun, ist in Gefahr: Sie wird nicht mehr gebraucht. Ihre Identität ist bedroht. Was tun Sie daher? Bleiben wie Sie sind, alles belassen wie es ist?
Wie komme ich weiter?
Ich denke, es braucht eine starke eigene Motivation, das Neue umsetzen zu wollen. Was mir ganz sicher Blessuren einbringen wird; die Rettungsstelle ist ja im Haus.
Geliebt werde ich sicherlich nicht unbedingt von allen; das ist kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken, was sehr ungünstig für Zähne wäre. Oder wer kaut gern Sandkorn? Wir können es nicht jedem recht machen. Doch genau das stärkt unsere Attraktivität gegenüber anderen, meistens.
Was hilft nun? Erkennen, was ich selber will. Wissen, wie die Zusammenhänge sind. Entscheiden, ob oder ob nicht, ich einen Beitrag leisten will. Meine Energie checken. Anfangen.
Wie immer auf dieser Seite: Unvollständig, vielleicht zum Nachdenken anregend.
Viel Glück!
Joachim Hartmann