Heyda! Trainer, sag mir, was ich sagen soll - Joachim Hartmann Coach & Trainer
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Heyda! Trainer, sag mir, was ich sagen soll

Heyda! Trainer, sag mir, was ich sagen soll

Nr. 1
Beim Radsport sagte der Trainer am Morgen, wo es langgeht, wie viele Kilometer gefahren werden, ob das Sprinten geübt wird, das in der Staffel fahren oder ob das Stürzen trainiert wird. Der Sportler genau tat es, mit Knurren vielleicht, doch er tat es. Der Sieg bei der Tour gab beiden anschließend Recht, dass genau das gut so ist: „Trainer sage mir, was ich tun soll“. Vielleicht ist es auch ganz anders, jedoch Fred (den gibt es wirklich) erzählte es mir so ähnlich.

Nr. 2
Vor zwei Wochen schwärmte ein sehr sympathischer Mensch am Rande eines Seminars, dass er es wirklich mag, wenn sein Arbeitstag klar geregelt ist, er nicht nachdenken braucht, und die Vorgesetzten ihm sagen, was zu tun ist. Er mag Regeln, an denen er sich orientieren kann, die ihm Richtschnur sind. „Ich will nicht nachdenken!“ Der Herr sah bei diesen Worten glücklich aus.

Nr. 3
Im beruflichen Alltag. Da steht ein Mensch vor mir, gebunden an seine Rolle, Supporter, Bürger, Kunde, Patient, Mitarbeiterin zu sein oder einfach nur eine Kollegin. Vielleicht wirkt er etwas angespannt, leicht aggressiv, dabei trägt er nur sein Anliegen vor: „Hey Sie da, ich brauche … ein Ruderboot, ich bin in 15 Minuten bei Ihnen und will damit heute den ganzen Tag rudern.“
Das Ganze wird etwas laut vorgetragen, in einem nach Befehl klingenden Ton. Haben Sie Lust, dem zu entsprechen? Was denken Sie, hören Sie das? Was würden Sie am liebsten sagen? Oder gar auch das: Mit der Faust auf den Tresen pochen?

Tja, was haben die drei Nummern miteinander zu tun?
Vielleicht das:

Wir Menschen brauchen Struktur.
Unser Denken dürstet danach.
Unsere biologische Konstruktion – vor allem die unserer Gehirne – verlangt nach Struktur, folgt selbst einer Struktur. Die einen wollen, brauchen mehr Struktur, anderer weniger, etwas Struktur brauchen wir alle.
Das Leben ist voller Struktur.
Der Mond geht zu einem bestimmten Zeitpunkt auf, die Sonne unter. Der Tag folgt dem Biorhythmus oder umgekehrt.
Das Handeln im Berufsleben folgt in einem wohl definierten Rhythmus.
Unser Privatleben legen wir in Strukturen.
Bei jeglicher Struktur schwankt der Grad der Ausprägung individuell. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Das Leben ist kompliziert. Nicht immer überblicken wir, wie die Dinge des Lebens zusammenhängen.
Nicht jeder will das können. Nicht jeder kann das können.

Der Wunsch nach Struktur und der „Baukasten Struktur“ können begründen, weshalb die einen von uns es lieben, dass gesagt wird, was zu tun ist oder wo es langgeht oder der Vorgabe folgen, die auch eine Anweisung sein kann oder ein Befehl.

Sie werden mich Grund dieser Gedanken kritisieren? Nur zu.
Gern lege ich noch Begriffe hinzu, die sehr tief ins Thema führen oder von ihm fort:
Persönlichkeit, Macht, Wirtschaft, Technik, Gesellschaft, Politik.

In allen drei Fällen (die Nr. 1 bis 3) kann es auch einfach so:
Es ist schlicht bequem, den Kopf auszuschalten. Doch das ist dann wirklich ein anderes Thema.

Als gewordener Spezialist für das Kommunikative (Sie dürfen es prüfen ob selbsternannt oder doch mit einer gewissen, erprobten, nachgewiesenen Kompetenz), widme ich mich in diesem Blog-Beitrag der Frage:

Weshalb ist es wichtig und schwer zugleich, zu sagen: „Sagen Sie das bitte in Zukunft so: … “.
Da sitzen sie! Ein Thema lockte zum Kommen. Alle warten gespannt auf die Ideen des Trainers, des Dozenten zu der Frage: Was soll ich dem Kunden, dem Bürger, dem Patienten, der Kollegin sagen, wenn sie vor mir stehen und meinen: „Du hast die Tabelle beim letzten Mal so schön erstellt, können wir zusammen draufschauen?“ Oder: „Haste mal kurz Zeit?“ Oder: „Sie müssen mir das Ticket sofort bearbeiten!“

Nicht alle brauchen den eindeutig, wunderschön ausformulierten Satz.
Andere schon. Ein paar Anregungen folgen, die begründen, was es leicht und schwer macht, diesem Wunsch nach Vorgabe zu entsprechen.

Gründe, weshalb wir es uns manchmal wünschen, dass wir vorformuliert bekommen, was wir sagen sollen

1. Struktur hilft
Das macht es leicht, dieser Vorgabe zu entsprechen.
Ich vermute, dass Worte zu Sätzen gebunden dem Gehirn ermöglichen, Gedanken zu ordnen.
Geordnete Gedanken helfen, Handlungen folgen zu lassen, sich zu verhalten.
In diesem Fall gebe ich gern die Vorgabe.

2. Es ist einfach, Lösungen in die Hand zu bekommen
Zweimal in 18 Jahren rutschte es mir raus: „Weshalb lesen sie das Buch nicht, ist doch alles niedergeschrieben, was ich ihnen hier im Seminar erzähle?“ Und: „Denken sie bitte, sie dürfen kreativ sein!“. Beide Reaktionen waren nüchtern: „Ich habe keine Zeit dafür.“ Und: „Sie sind der Fachmann, die sortieren vor.“ Zwei Beispiele aus der Welt des Trainings. Sie verdeutlichen: Ja, es ist gut, eine Idee für eine Lösung bereitzustellen. Das macht das Leben einfacher.
Das philosophische Denken bietet einen zweiten Hinweis, weshalb es gut und richtig ist, Lösungen vorzugeben: Wo kämen wir hin, wenn wir Menschen für jede Frage, für jedes Problem immer eine eigene Lösung suchen und probieren? Wir dürfen von den Erfahrungen anderer lernen. Die Feuerwehrfrau muss nicht ins Feuer fassen, um zu erfahren, wie heiß es ist. Andere haben ihr das gesagt, dem darf sie vertrauen, die Lösung annehmen. Katzen sind anders, die springen gern mal auf die heiße Herdplatte.

3. Modelle helfen, die komplizierte Wirklichkeit zu verstehen und mit ihr umzugehen
Das Leben ist kompliziert. Meistens. Außer, wenn die Straßenbahn von hinten zu sehen ist. Ich warte auf die nächste.
Und, weil das Leben so kompliziert ist, die Wege verflochten, die Ideen unüberschaubar, die Probleme unendlich, die Vorhersagen vage, brauchen wir etwas, an dem wir uns orientieren können.
Hinzukommt: Das Denken liebt Geschichten. Mit dem Abstrakten kann es zwar umgehen, nur nicht locker. Was hilft: Modelle. Das begründet, weshalb Sie in meinen Seminaren dann doch Sätze bekommen, die „man“ sagen kann. Der Satz ist dann das Modell.

4. Kommunikation bedarf Reize
Reize lassen es kompliziert werden mit dem Satz, den ich Ihnen vorgebe: „Sagen Sie es so …“.
Kennen Sie das: Sie reden, jemand fällt Ihnen ins Wort und schwupps, ist Ihr Gedanke weg?
Die Gedanken, die Sie hatten, wurden überlagert durch den oder die Gedanken des Gegenübers.
Sie werden kurzzeitig „überschrieben“. Mit etwas Mühe finden wir im Labyrinth unseres Gehirns den Gedanken. Doch hilft der jetzt noch? Ist das Gespräch nicht schon weitergeflossen?
So schnell ändert sich ein Gesprächsverlauf. Dank vieler Reize. Ein nettes Lächeln oder ein grimmiger Blick bewirkt Ähnliches. Wir kommen aus dem Konzept. Mal weniger, mal mehr.
Was hilft es Ihnen, wenn ich Sie wissen lasse, was ich sagen würde wenn …?
Wollen Sie es noch komplizierter?

 

Exkurs
Es gibt Zeitgenossen, die geben wenig Reize mit dem, was Sie uns zu sagen haben. Ihre Mimik und Gestik kommt der einer Pokerspielerin gleich. Das Gespräch verhungert. Tja, auch das führt mich weiter weg vom heutigen Thema …

Wir brauchen Reize, um miteinander ins Gespräch zu kommen, vollkommen gesund.
Reize beeinflussen unser Denken. Sie können es beflügeln oder hemmen. Wir sind Träger von bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen, das kommt on top. Es ist kaum einzuschätzen, welche Wirkung meine Worte oder Sätze bei einem anderen Menschen auslösen. Das Wort wirkt als Reiz.
Hören Sie „meinen“ Satz, der an „meine“ Art gebunden ist und daran, wie ich ein Gegenüber in einer Situation erlebe, kann das für Sie, in Ihrer Situation mit einer Gesprächspartnerin schon komplett anders sein.

Daher ist es für mich so schwer, Ihnen „die Sätze“ anzubieten.

5. Die Situation ist die Ihrige, nicht die Ihres Trainers
Sie kennen die Situation, wie sie sich entwickelt hat. Sie nehmen die Feinheiten wahr. Sie erleben, was wie geschieht. Sie sind die Fachfrau oder der Fachmann Ihrer beruflichen Position. Sie wissen, wozu Sie das tun. Sie kennen das Ziel, den Weg zur Lösung.
Ich höre oft: „Herr Hartmann, kommen sie mal zu uns, da geht das nicht!“ Klar, weil Sie es sind, die ein Geschehen erleben und sich in einer Gegebenheit verhalten, agieren, Ihnen widerfährt, in Ihrer vertrauten beruflichen Umgebung.

Ausblick
Sicherlich lassen sich weitere Begründungen für Sätze finden, die Ihnen Ihr Trainer aufs Tablet legt oder denen er sich verweigert, sie darauf zu legen.

Wenn Ihnen in einer konkreten beruflichen Situation im Umgang mit Mitarbeitern, Kunden, Patienten, Bürgern, Supportern die „klugen“ Sätze ausgehen oder gerade nicht einfallen, z. B. weil die auf Sie wirkenden Reize zu mächtig sind, zu überraschend oder Sie einfach etwas Zeit brauchen zum Nachdenken, versuchen Sie es einmal damit:
Schweigen.
Beachten Sie: Dauert es zu lange, kann es als aggressiv wahrgenommen werden; mit entsprechenden eigenartigen Reaktionen (weil das Schweigen auch bloß ein Reiz ist). Ist es zu kurz, kann es munter weitergehen.
Schweigen kann – was durchaus so gewollt ist – zum Abbruch der Kommunikation und damit zur Beruhigung der Situation dienen oder … wieder zu etwas ganz Anderem.
Und höchstwahrscheinlich gibt es noch 20.000 Möglichkeiten.
Auf jeden Fall: Ein Schweigen verändert die Situation. Wetten? Dann probieren Sie heute Abend Folgendes: Sie kommen nach Hause und … schweigen. Viel Glück. Schmunzeln.

Die zwei Top-Tipps
Wenn das alles nicht hilft, dann versuchen Sie es so:
1. Haben Sie einen Plan und bleiben in der Situation flexibel.
2. Lassen Sie sich ein auf den Menschen vor Ihnen und auf die Situation, wie beides auch immer ist.

Viel Freude beim Probieren!

Was ich Sie noch wissen lassen möchte
Wenn ich von Frauen oder Männern schreibe oder die weibliche Wortform nutze oder die männliche, vergesse ich nie, dass wir gleich sind im Wert, als Mensch behandelt zu werden. Und wenn ein Mensch hier liest – ich hoffe weiterhin, dass nicht nur Roboter lesen – dann achte ich jeden Menschen, unabhängig seines biologischen Geschlechts, seiner Stellung in der Gesellschaft und seiner Herkunft. Das gilt für jeden Blog-Beitrag, bis hierher und zukünftig.